Claudia Uhr Rechtsanwalt Nürnberg
12.05.2009

BGH: Folgen eines Nachprüfungsverfahrens

Seitdem es nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in §§ 102 ff die Möglichkeit für einen (unterlegenen) Bieter gibt, den beabsichtigten Zuschlag an einen anderen Bieter in einem Nachprüfungsverfahren überprüfen zu lassen, ist die öffentliche Vergabe von Bauaufträgen mit einem grundlegenden Problem belastet. Auch ein letztlich erfolgloses Nachprüfungsverfahren nimmt bisweilen erhebliche Zeit in Anspruch. In dieser Zeit darf der Zuschlag nicht erteilt werden. Das kann dazu führen, dass die in der öffentlichen Ausschreibung vorgesehenen Bautermine nicht eingehalten werden können. Die Bieter werden dann zu einer Verlängerung der Bindefrist für ihr Angebot, dem die öffentliche Ausschreibung zugrunde liegt, aufgefordert. Haben die Bieter die Bindefrist verlängert, kann der Zuschlag auch zu einem Zeitpunkt erteilt werden, an dem die Bautermine nicht mehr eingehalten werden können, was häufig geschieht. Entstehen durch die Bauzeitverschiebung Mehrkosten, etwa weil sich für den Auftragnehmer infolge der Bauzeitverschiebung die Einkaufspreise für das Material erhöht haben (hier: Stahl und Zement), so machen die Auftragnehmer oftmals Ansprüche auf Ersatz der Mehrkosten geltend. Es kann dann Streit der Parteien darüber entstehen, wer die Mehrkosten zu tragen hat. In aller Regel berufen sich beide Parteien darauf, dass das Risiko der Verschiebung des Zuschlags und der Bauzeit die jeweils andere Partei zu tragen hat, weil keine der Parteien die Verzögerung verschuldet hat. Der Auftraggeber macht zudem oft geltend, der Bieter, der die Bindefrist verlängere, habe dadurch das Risiko von Mehrkosten übernommen.

Der unter anderem für das private Baurecht zuständige VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte nunmehr die Frage zu entscheiden, ob dem Unternehmer nach einem verzögerten Vergabeverfahren ein Mehrvergütungsanspruch wegen einer Bauzeitverschiebung zustehen kann.

Er hat die Frage für eine Fallkonstellation bejaht, in der der Zuschlag unverändert auf das Angebot erteilt worden ist. In diesem Fall ist der Zuschlag ungeachtet der Bindefristverlängerung wegen der Formstrenge des Vergabeverfahrens, das Änderungen der Ausschreibung grundsätzlich nicht zulässt, mit den in der Ausschreibung vorgesehenen Terminen zustande gekommen. Da der Vertrag zu diesen (ganz oder teilweise bereits verstrichenen) Terminen nicht mehr durchgeführt werden kann, entsteht eine Vertragslücke, die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nach Treu und Glauben so zu schließen ist, dass die Parteien sich über eine neue Bauzeit und über die Bezahlung eventueller Mehrkosten verständigen müssen. Die Vergütungsanpassung ist nach § 2 Nr. 5 VOB/B vorzunehmen und zwar grundsätzlich auch in Fällen, in denen nur geringe Mehrkosten geltend gemacht werden. Findet keine Verständigung statt, entscheidet das Gericht. Der VII. Zivilsenat hat auch darauf hingewiesen, dass Fälle in gleicher Weise zu behandeln sind, in denen der Bieter im Zusammenhang mit der Bindefristverlängerung erklärt, er behalte sich im Falle verschobener Ausführungsfristen und hierdurch erhöhter Kosten die Geltendmachung einer Mehrvergütung vor, der Zuschlag jedoch aus zwingenden Gründen des Vergaberechts unverändert auf die ausgeschriebene Bauzeit erfolgt ist.

Der VII. Zivilsenat hatte nicht zu entscheiden, ob der Zuschlag trotz bereits abgelaufener Bauzeit vergaberechtlich zulässig ist. Denn der Zuschlag war nicht aus diesen Gründen angefochten worden.

§ 2 Nr. 5 VOB/B

Werden durch Änderung des Bauentwurfs oder andere Anordnungen des Auftraggebers die Grundlagen des Preises für eine im Vertrag vorgesehene Leistung geändert, so ist ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren. Die Vereinbarung soll vor der Ausführung getroffen werden.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 11. Mai 2009 – VII ZR 11/08

LG Berlin – 23 O 148/06 – Urteil vom 15. November 2006

Kammergericht - 21 U 52/07 – Urteil vom 5. Oktober 2007