30.08.2018
BAG: Zulässige Verwendung Videoüberwachung, Kündigungsgründe
Die Speicherung von Bildsequenzen aus einer rechtmäßigen offenen
Videoüberwachung, die vorsätzliche Handlungen eines Arbeitnehmers
zulasten des Eigentums des Arbeitgebers zeigen, wird nicht durch bloßen
Zeitablauf unverhältnismäßig, solange die Ahndung der Pflichtverletzung
durch den Arbeitgeber arbeitsrechtlich möglich ist.
Die Klägerin war in
einem vormals von dem Beklagten betriebenen Tabak- und
Zeitschriftenhandel mit angeschlossener Lottoannahmestelle tätig. Dort
hatte der Beklagte eine offene Videoüberwachung installiert. Mit den
Aufzeichnungen wollte er sein Eigentum vor Straftaten sowohl von Kunden
als auch von eigenen Arbeitnehmern schützen. Nach dem Vortrag des
Beklagten wurde im 3. Quartal 2016 ein Fehlbestand bei Tabakwaren
festgestellt. Bei einer im August 2016 vorgenommenen Auswertung der
Videoaufzeichnungen habe sich gezeigt, dass die Klägerin an zwei Tagen
im Februar 2016 vereinnahmte Gelder nicht in die Registrierkasse gelegt
habe. Der Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis der Parteien
außerordentlich fristlos. Die Vorinstanzen haben der dagegen
gerichteten Kündigungsschutzklage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht
hat gemeint, die Erkenntnisse aus den Videoaufzeichnungen unterlägen
einem Verwertungsverbot. Der Beklagte hätte die Bildsequenzen
unverzüglich, jedenfalls deutlich vor dem 1. August 2016 löschen müssen.
Auf die Revision des Beklagten hat der Zweite Senat des
Bundesarbeitsgerichts das Berufungsurteil hinsichtlich des
Kündigungsschutzantrags aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Sollte es
sich - was der Senat nach den bisherigen Feststellungen nicht beurteilen
kann - um eine rechtmäßige offene Videoüberwachung gehandelt haben,
wäre die Verarbeitung und Nutzung der einschlägigen Bildsequenzen nach §
32 Abs. 1 Satz 1 BDSG aF* zulässig gewesen und hätte dementsprechend
nicht das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte
allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzt. Der Beklagte
musste das Bildmaterial nicht sofort auswerten. Er durfte hiermit
solange warten, bis er dafür einen berechtigten Anlass sah. Sollte die
Videoüberwachung rechtmäßig erfolgt sein, stünden auch die Vorschriften
der seit dem 25. Mai 2018 geltenden Datenschutz-Grundverordnung einer
gerichtlichen Verwertung der erhobenen personenbezogenen Daten der
Klägerin im weiteren Verfahren nicht entgegen.
Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts, Urteil vom 23. August 2018 - 2 AZR 133/18 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 20. Dezember 2017 - 2 Sa 192/17 -
*§ 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG in der bis zum 25. Mai 2018 geltenden Fassung (aF) lautet:
Personenbezogene Daten eines Beschäftigten dürfen für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist.