Claudia Uhr Rechtsanwalt Nürnberg
07.09.2012

Medizinrecht: unterlassener Befund bei Einlieferung

Bei einem einfachen Befunderhebungsfehler kommt eine Beweislastumkehr für die Frage des Ursachenzusammenhangs mit dem tatsächlich eingetretenen Gesundheitsschaden auch dann in Betracht, wenn sich bei der gebotenen Abklärung der Symptome mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein so deutlicher und gravierender Befund ergeben hätte, dass sich dessen Verkennung als fundamental oder die Nichtreaktion auf ihn als grob fehlerhaft darstellen würde, und diese Fehler generell geeignet sind, den tatsächlich eingetretenen Gesundheitsschaden herbeizuführen.

Hingegen ist nicht Voraussetzung für die Beweislastumkehr zu Gunsten des Patienten, dass die Verkennung des Befundes und das Unterlassen der gebotenen Therapie völlig unverständlich sind (Senatsurteil vom 29. September 2009, VI ZR 251/08, VersR 2010, 115 zum groben Befunderhebungsfehler).
Im Streitfall war eine 32-jährige Frau in tief somnolentem Zustand in ein Klinikum eingeliefert worden. Nach einer Computertomografie und einer Liquordiagnostik wurde sie mit der Diagnose eines psychogenen beziehungsweise depressiven Stupors in eine psychiatrische Klinik überwiesen und dort sechs Wochen lang behandelt.
Erst später wurde festgestellt, dass die Frau einen embolischen Thalamusinfarkt erlitten hatte. Sie leidet unter bleibenden Sprach- und Schluckstörungen.

Von der psychiatrischen Klinik verlangt die Frau Schadenersatz und Schmerzensgeld. Sie wirft der Klinik insbesondere vor, die Einlieferungsdiagnose ungeprüft übernommen zu haben.
Das Oberlandesgericht Hamm wies die Klage unter anderem mit dem Hinweis ab, es sei unklar, ob eine frühere neurologische Therapie geholfen hätte.

Hier hat nun der BGH der Klägerin mit einer Beweislastumkehr geholfen. Es sei ausreichend, dass die Ärzte einen Befund verkannt oder gar nicht erst erhoben haben und bei der unterbliebenen Befunderhebung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit der Thalamusinfarkt hätte erkannt werden können, so dass eine Verkennung dieses Befundes bzw. ein Nichtreagieren hierauf sich als grob behandlungsfehlerhaft darstelle, was eine Umkehr der Beweislast rechtfertige. . Die Klägerin müsse auch nicht vortragen, dass eine frühzeitigere neurologische Therapie ihren Gesundheitszustand verbessert hätte. Auch sein nicht erforderlich, dass der grobe Behandlungsfehler die einzige Ursache des Schadens sei. Nur, wenn der haftungsbegründende Ursachenzusammenhang äußerst unwahrscheinlich ist, sei eine Umkehr der Beweislast ausgeschlossen

Mitgeteilt von Rechtsanwältin Sabine Weigand, UHR Rechtsanwälte, Schlaunstraße 31, 90480 Nürnberg